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Sanierungsverfahren

Private Entwässerungsleitungen können auf vielfältige Weise saniert werden. Die nahe liegende
Sanierungsart ist natürlich die Erneuerung der Leitungen und ggf. der zugehörigen Schächte in
herkömmlicher offener Bauweise. Dies ist jedoch aufgrund von unter der Kellersohle verlegten Leitungen
oftmals zu aufwändig und teuer.  

Darüber hinaus existieren Sanierungsverfahren, bei denen die Dichtheit der Leitung wieder hergestellt
werden kann, ohne Erdarbeiten durchführen zu müssen. Ein Vorteil der grabenlosen Verfahren besteht
darin, dass sie weniger Zeit erfordern und der Austausch von schadhaften Leitungen unnötig ist.
Jedoch sind gerade schwere Schäden in Leitungen oft nicht mit grabenlosen Sanierungsverfahren zu
beheben.

Die Wahl zwischen einer offenen oder einer grabenlosen Sanierung hängt wesentlich von den Schäden
ab, die im Kanal vorgefunden wurden. Zwar ist ein Neubau grundsätzlich die nachhaltigste Lösung, aber
offene Bauarbeiten sind entsprechend der vorgefundenen Rahmenbedingungen aufwändig und unter
Umständen sind sie auch gegenüber geschlossenen Sanierungsverfahren teurer.

Nicht alle Schäden lassen sich wirkungsvoll grabenlos sanieren; das gilt besonders für Brüche,
Verformungen und Einstürze des Rohrs, aber auch für starke Rohrversatze. Auch Scherben im Rohr
können den Einsatz einiger Sanierungsverfahren verhindern. Nicht korrigierbar sind außerdem Lage-
veränderungen der Leitung wie z.B. Unterbögen. Grabenlos sanierbar sind meist undichte oder klaffende
Rohrverbindungen ohne nennenswerte axiale Versatze der einzelnen Rohre. Das gleiche gilt für Risse
oder für Scherben, die noch nicht aus ihrer Position gerutscht sind. Die Frage, ob im Einzelfall offen oder
grabenlos saniert werden kann und welche Lösung wirtschaftlich günstiger ist, ist auch davon abhängig,
ob eine Drainage an diese Leitung angeschlossen ist und erfordert in jedem Falle spezialisierten und
von konkreten Interessen unabhängigen Sachverstand!

Unter Kellersohle und Bodenplatte

Leitungsschäden unter Kellersohle und Bodenplatte sind der unangenehmste Fall, der auftreten kann,
da man hier kaum Zugriffsmöglichkeiten von der Oberfläche hat und auch die „grabenlosen“ Sanierungs-
möglichkeiten
wegen der erschwerten Zugänglichkeit eingeschränkt sind. Hat das Gebäude einen Keller,
sollte in diesem Fall das defekte Leitungssystem unter der Bodenplatte stillgelegt und durch ein neues,
unter der Kellerdecke abgehängtes Leitungssystem ersetzt werden. Dies ist auch in den meisten Fällen
die günstigste und nachhaltigste Sanierungslösung.

Diese Lösung bietet zudem künftig eine optimale Kontrolle und Zugänglichkeit der Abwasserleitungen
und ist gemäß DIN 1986-100 inzwischen auch anerkannte Regel der Technik für den Neubau. Unter
Umständen lässt sich auch ein Leitungssystem in der Bodenplatte selbst verlegen, was aber einen
Eingriff in die Bodenplatte voraussetzt. Hat das Gebäude gar keinen Keller oder wird das Leitungssystem
unter der Kellerdecke abgelehnt, bleibt zu prüfen, ob eine Abdichtung durch ein Flutungsverfahren zum
gewünschten Erfolg führt.


Unter Kelledecke abgehängte Grundleitung.

Die gründlichste Lösung, wenn Grundleitungen unter der Kellersohle defekt sind, ist die Aufgabe der
alten Leitung und das Abhängen einer neuen Leitung unter der Kellerdecke. Dabei kann der Anschluss
entweder durch die Kellersohle (z.B. vorhandener Revisionszugang) an die vorhandene Grundleitung
erfolgen oder durch die Kellerwand an eine neu zu verlegende Grundleitung, gegebenenfalls auf
höherem Niveau (siehe Grafik).

Sanierung ohne Erdarbeiten

Sofern das Schadensbild es zulässt, stehen eine Reihe grabenloser Sanierungsverfahren zur Verfügung:

  • die Reparatur von punktuellen Einzelschäden durch partielle Gewebeauskleidungen
  • die Innenauskleidung der defekten Leitung durch einen Gewebeschlauch ("Schlauchlining")
  • die Abdichtung von undichten Leitungen und Schächten mit dem Flutungsverfahren. 


Beim Einsatz solcher Techniken sollte man sich jedoch unbedingt auf den Rat eines in diesem Bereich
bewanderten Ingenieurs stützen; auch sollten diese Verfahren nur durch Unternehmen mit entsprechender
Ausrüstung und hinreichenden Referenzen durchgeführt werden!

Partielle Gewebeauskleidungen

Ein ähnliches Ergebnis wie beim Schlauchlining erzielt man mit kunstharzgetränkten Glaslaminat-Matten,
die um eine flexible Rohrblase gewickelt werden, die man dann in die Leitung einschiebt. Dort bläst man
die Rohrblase auf, und presst damit die Glaslaminatmatte rundum an die Rohrwand. Anschließend
erfolgt auch hier in kürzester Zeit eine Aushärtung. Schließlich wird die Rohrblase wieder gezogen und
die Leitung kann wieder in Betrieb gesetzt werden.

Glaslaminat-Matten
Aufwickeln der harzgetränkten
Matten auf eine Rohrblase
Installation über Öffnung
im Keller


Glasfaserauskleidungen haben nicht nur eine Dichtwirkung, sondern auch bei geringen Wandstärken
schon eine beachtliche statische Tragfähigkeit, was in manchen Fällen durchaus von Vorteil sein kann.
Partielle Auskleidungen lassen sich in beliebigen Längen bis zu 5 Metern setzen. Es lassen sich auch
mehrere partielle Auskleidungen aneinander reihen. Ob dies allerdings eine sinnvolle Alternative zu
einem durchgehenden Schlauchliner ist, bleibt im Einzelfall sorgfältig zu prüfen.

Schlauchlining

Wenn das Grundleitungssystem von mindestens einer Seite aus zugänglich ist, lassen sich defekte
Leitungen häufig (und bei geeignetem Schadensbild) durch eine Gewebeauskleidung sanieren. Ein
mit Kunstharz getränkter Schlauch aus Polyesterfaser oder Nadelfilz (ein „Liner") wird mit Luft- oder
Wasserdruck so in die Leitung eingestülpt und aufgeweitet, dass er an der Rohrwand überall dicht und
bei sachgerechtem Einsatz und Einbau auch weitestgehend faltenfrei anliegt. Durch Aushärtung des
schnell reagierenden Kunstharzes wird aus dem Schlauch nach kurzer Zeit (1 bis 5 Stunden, je nach
Härtungstechnik) ein „Rohr im Rohr". Mit diesem Verfahren lassen sich ganze Leitungen, aber auch
Teile davon sehr schnell und ohne großen Bauaufwand sanieren. Bögen in der Leitung stellen für diese
Verfahren kein prinzipielles Hindernis dar, setzen ihnen allerdings Grenzen. Es gibt auch Verfahrens-
varianten, die vom Hauptkanal aus eingebaut werden. Problematisch sind „überfahrene" Abzweige, die
anschließend per Fräsroboter wieder geöffnet werden müssen.

Der "Liner" ist ein hoch
dehnbarer Gewebeschlauch,
der unter Vakuum mit
Kunstharz getränkt wird.
Der mit (in diesem Falle)
grünem Kunstharz getränkte
Schlauch wird in einer
Wanne aufgenommen.
Über eine Revisions- oder
sonstige Öffnung wird der
Liner aus einer Druck-
trommel heraus mit Luft-
druck in die defekte Leitung
eingestülpt.




Der einsatzbereite Schlauchliner nach der Aushärtung im Rohr: Eine wasserdichte Sanierungslösung,
mit der sich viele Schäden in Anschluss- und Grundleitung nachhaltig beheben lassen - und das ohne
Aufbruch von Oberflächen.

Flutungsverfahren

Beim Flutungsverfahren wird die Leitung (oder auch der Schacht) wie bei einer Wasserdruckprobe
abgesperrt und in zwei Arbeitsgängen nacheinander mit zwei Komponenten eines Silikatgel-Systems
(„Wasserglas") gefüllt. Die Komponente 1 entweicht durch Undichtigkeiten aus der Leitung und sammelt
sich in Poren und Hohlräumen des Bodens rund ums Rohr. Dann wird die erste Komponente aus der
Leitung abgesaugt und die Leitung mit Komponente 2 gefüllt. Wo Komponente 2 außerhalb des Rohrs
auf Komponente 1 trifft, reagieren beide miteinander und verfestigen den Boden um die Leitung zu einer
sandsteinartigen, wasserdichten Masse. Auch Komponente 2 wird anschließend wieder abgesaugt.
So lassen sich schnell und ohne großen Aufwand einzelne Leitungen und ganze Netzabschnitte
abdichten auch in unzugänglichen Bereichen.

Um den Materialverbrauch und die Kosten des Verfahrens einigermaßen zuverlässig abschätzen zu
können, muss zuvor unbedingt eine sorgfältige Wasserdruckprobe in dem zu flutenden Bereich durch-
geführt werden. Die Höhe der Wasserverluste während der Prüfung ist ein Hinweis auf den bei der
Sanierung zu erwartenden Materialverbrauch. Wo sich ein Prüfdruck gar nicht erst aufbauen lässt, ist
vom Flutungsverfahren Abstand zu nehmen.



Nicht vergessen: Die Rückstausicherung

Erstaunlich viele Grundstücke, deren tiefste Entwässerungsgegenstände unterhalb der Rückstauebene
des öffentlichen Schmutz- bzw. Mischwasserkanals liegen, verfügen nach wie vor über keine Rückstau-
sicherung - damit riskiert man überflutete Keller im Fall von Abwassereinstau in der öffentlichen
Kanalisation. Da der Verzicht auf Rückstausicherungen grundsätzlich ein Verstoß gegen den Anlagen-
betrieb nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik und häufig auch ein Verstoß gegen die
geltende Abwassersatzung ist, kann der Grundstückseigentümer in solchen Fällen die Kommune
nicht für Rückstauschäden haftbar machen.

Hinzu kommt: Der Grundstückseigentümer ohne Rückstausicherung
setzt seinen Versicherungsschutz gegen Abwasserschäden aufs Spiel!

Wer seine Grundleitungen saniert, sollte also die Gelegenheit nutzen, sich mit dem Thema
Rückstausicherung zu beschäftigen und -wo nicht vorhanden- eine geeignete Anlage zu installieren.
Wer defekte Grundleitungen unter der Kellersohle stilllegt und das Wasser oberhalb der Rückstauebene
abfängt, erledigt das Rückstauproblem ganz "nebenbei" gleich mit!

Was darf auf dem Grundstück eingebaut werden?

Bei der Auswahl von Sanierungswerkstoffen und -verfahren ist zu berücksichtigen, dass deren Einsatz
auf dem Grundstück den Regeln des Baurechts, also den jeweiligen Landesbauordnungen, zu folgen
hat. Insbesondere ist im Einzelfalle die Zulässigkeit von Bauprodukten nach §§ 17 bis 24 der Muster-
bauordnung von November 2002 (bzw. der davon abgeleiteten geltenden Landesbauordnungen) zu
prüfen bzw. nachzuweisen.

Werkstoffe grabenloser Sanierungsverfahren als "nicht geregelte Bauprodukte" müssen vor ihrer
Verwendung entweder

  • eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (§ 18 MusterBauO)
  • ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (§ 19 MusterBauO)
  • oder eine Zustimmung im Einzelfall (§ 20 MusterBauO)

vorweisen. Die Beurteilung dieses sehr komplexen Sachverhaltes und die Abfrage entsprechender
Nachweise sollte der Grundstückseigentümer unbedingt einem Fachmann überlassen.

Unverzichtbar: Unabhängige Beratung

Immer wieder stellt sich in der Praxis heraus, dass eine wirksame Sanierung von Grundleitungen mit
nur einem einzigen Verfahren selten möglich ist. Das gilt um so mehr, je größer das Grundstück und je
komplexer die darauf stehende Bebauung ist. In einem Forschungsprojekt in Billerbeck hat der
Abwasserbetrieb der Stadt Billerbeck für 113 Grundstücke im Rahmen der Fremdwassersanierung die
Sanierungslösungen aufgezeigt und ausgewertet.

Bei der Sanierungsplanung kann in der Regel nicht auf ein einzelnes Sanierungsverfahren zurück-
gegriffen werden; vielmehr müssen Verfahren kombiniert werden. Bei den in Billerbeck durchgeführten
Sanierungen konnten sehr gute Ergebnisse mit einem kombinierten Einsatz von

  • Schlauchlinern
  • der Neuverlegung von Leitungen in den Kellern  unter der Kellerdecke
  • der Neuverlegung von Leitungsstrecken in offener Bauweise im Außenbereich der Gebäude
  • der Außerbetriebnahme von nicht benötigten Abläufen, Entwässerungsgegenständen
    und Leitungsabschnitten.
  • dem Flutungsverfahren
  • der gesonderten Ableitung von Drainagewasser in ein Ersatzsystem
    erzielt werden.

Als Konsequenz ergibt sich die Schlussfolgerung, dass ohne ingenieurtechnische Planung und
Begleitung der Sanierungsmaßnahmen der Erfolg und vor allen Dingen die Wirtschaftlichkeit der
Sanierung nicht gewährleistet werden kann. Eine von Bieterinteressen unabhängige Beratung ist
anzustreben.